Heutzutage darfst du ja nichts mehr sagen.
Früher gab’s das alles nicht.
Heutzutage – das nörglerische „Jetzt“ alter weißer Männer,
von denen es inzwischen doch ganz schön viele gibt.
Heutzutage ist die Erinnerung an gestern „retro“ oder „vintage“.
Früher war das einfach nur: früher. Und gestern war gestern. Und jetzt war halt jetzt – und fertig.
Heutzutage gibt’s fancy Coffee mit irgendeinem Sirupscheiß to go. Cold Brew mit Hafer-Emotion.
Früher einfach Kaffee. Mit Milch. Von Kühen. Und Zucker sogar. Oh mein Gott! Voll vintage.
Heutzutage machst du 397 Selfies mit Schmollmund, postest dein Essen und wartest auf Herzchen von der Welt da draussen. Weil das dein Leben erfüllt und dein Ego streichelt.
Früher hast du dir das bei 12, 24 oder 36 Bildern pro Film gut überlegt. Und deinen Schmollmund wollte sowieso niemand sehen. Dein Mittagessen auch nicht.
Heutzutage lernst du Leute über das Internet kennen.
Wenn’s gut läuft, wirst du nicht geghostet, landest nicht bei Cringe-Dates und schaust dann doch wieder allein Netflix.
Früher bist du in die Kneipe gegangen. Hast deinen ganzen Mut zusammengenommen – und gut war.
Heutzutage ist alles schlecht. Die Menschen, das Klima, die Laune. Den Menschen mangelt es an Verstand.
Früher war alles besser.
Nein, war’s nicht. Du hast nur nicht alles mitbekommen – weil dir nicht 24 Stunden lang die Welt ins Hirn geballert wurde. Und Verstand war früher schon Mangelware.
Heutzutage sollte jeder alles sein dürfen. Wer oder was er möchte. Ohne Angst, ohne Benachteiligung.
Klappt aber nicht immer. Leider.
Früher hat das überhaupt nicht geklappt. Leider.
Heutzutage: Wann ist das eigentlich?
Jetzt – sofort? Oder nur dann, wenn was nicht passt?
„Tja, so ist das heutzutage eben.“
Früher ist da einfacher. Früher eben.
Heutzutage – was meint man damit überhaupt? Ein Dauerzustand des Nörgelns? Des Nachtrauerns und Hinterherschauens?
Früher ist da einfacher. Früher eben.
Heutzutage – ist das vielleicht nur ein anderer Ausdruck für „Ich komm nicht mehr mit“?
Oder das Wort für alles, was man nicht mehr versteht, aber trotzdem irgendwie mitmacht? Mitmachen muss?
Früher kamen mir solche Gedanken nicht.
Heutzutage ist in zehn Jahren übrigens früher.
Heutzutage kam in meinem letzten Text nicht vor.
Darüber hat sich Lizzy in ihrem Kommentar gefreut.
Ich hab ihr geschrieben, dass ich’s auch nicht verwenden werde.
Aber das war früher. 😉
8 Comments
Gerhard
Nur nicht hektisch werden!
Alles ändert sich, es kann nicht mehr wie früher sein.
Klar gibt es immer noch welche, die eigentlich nie ihren Ort verlassen haben.
Vor 100 Jahren war das nun wirklich nicht ungewöhnlich – der Ort hatte ja alles zu Leben.
Die heutigen Vereinsmeier eines kleinen Orts, die jeden kennen, wirklich jeden, waren trotzdem schon mal auf allen Erdteilen. So wie ich. Ich habe das gestern mal durchgezählt gehabt.
Martin
Hektisch werden? Keinesfalls 😊
Lizzy
Herrlich! 😅
Wobei … würde man – also frau … äh … ich meine ich (alt, weißhaarig und -häutig, keine kalten Füße aber kann trotzdem nur scheiße einparken) … heutzutage überhaupt noch “herrlich” schreiben? “Famos” war noch früher als mein “Früher” .. “fabelhaft” könnte passen und ist ja sogar schön. Irgendwie auch retro.
Beim “Früher als alles besser war” hab’ ich leider meistens gefehlt oder war gerade woanders und gehöre zu den Gesegneten, bei denen es weitgehend immer besser wurde mit der Zeit.
Will heutzutage sagen: 👍 oder auch: mega lit! Also: der Text.
Made my day!
Lizzy *holt sich mega erheitert noch nen vintage-Kaffee*
P. S. Es gab doch auch bei mir ein richtig mega-Früher. Da hab’ ich (Anno 1998) meinen Mann im Internet kennengelernt 😉
Martin
Das kann ich auch so von mir behaupten. Läuft alles rund. Ich versuche allerdings auch den Anschluss nicht zu verpassen. Gleichgültigkeit oder Ignoranz ist glaube ich fatal. Meine Frau und ich haben uns übrigens auch im Netz kennengelernt. Ein schönes Wochenende noch…..☀️
Oma Schlafmütze
Ganz früher, als ich jung war, da war gar nix besser.
Und beim späteren Früher ging es auf und ab. So wie Leben eben ist.
Beim Früher vor rund 20 Jahren habe ich ebenfalls meinen Mann im Internet kennengelernt. 😍
Also manchmal ist Früher so gut wie heute. 😉
Und wie Kaffee heute heißt ist mir piepegal! Bei uns heißt er Kaffee … ☕
Queen All
Ist mir bisher noch nie aufgefallen, dass das „heutzutage“ so negativ belegt ist. Mir fällt aber auch wirklich keine Gelegenheit ein, bei der jemand gesagt hätte, dass „heutzutage“ etwas besser wäre. Und ich bin wirklich gespannt, was wir dann in 10, 20 Jahren so über unser heutiges heutzutage denken.
Elke
Wir müssen mit und in der Zeit leben, in der wir uns nun mal befinden. Und sicher war früher nicht alles besser. Andererseits bin ich froh, dass ich die 1960er und 1970er Jahre in meinen Jugendjahren im Westen der Republik verleben konnte. Diese Leichtigkeit des Seins hätte ich meinen Söhnen auch gewünscht. Und manchmal bin ich froh, keine Enkel zu haben (was ich allerdings auch mal bedauere), die mit dem klarkommen müssen, was aktuell in der Welt passiert und noch passieren wird. Love and peace sehe ich derzeit nicht am Horizont.
Liebe Grüße – Elke
Martin
Das stimmt leider. Aber in unserer eigenen kleinen Welt sollte Love, Peace and Happiness schon sein.